Resilienz – Das Immunsystem der Seele / Teil 2

In Teil 1 habe ich euch mit dem Begriff der Resilienz bekannt gemacht. Der inneren Fähigkeit an ungünstigen Bedingungen und Geschehnissen nicht zu zerbrechen, sondern im Gegenteil gestärkt aus Krisen herauszutreten. Die Frage ist natürlich, warum gelingt es den einen, Krisen als Chancen zu begreifen, während die anderen tatsächlich immer schwächer werden? Ist es einfach eine Sache der Persönlichkeit – angeboren sozusagen? Der eine hat’s der andere eben nicht? Nein, ist es nicht! Jedenfalls wenn wir uns die Studien zu diesem Thema anschauen, so findet sich dort übereinstimmend der Tenor, dass Resilienz eine erlernte Fähigkeit ist, mit Problemen konstruktiv umzugehen. 

 

Alle Erfahrungen, die Menschen machen, gehen nicht ohne Spuren an uns vorbei. Ein Mensch, der immer nur die Erfahrung gemacht hat, dass nichts richtig ist, was immer er auch tut, wird es schwer haben, das Leben als wunderbare Gelegenheit wahrzunehmen sich selbst zu verwirklichen. Nun gibt es Faktoren, die bereits Babys mitgegeben werden, und die dafür sorgen, dass sie einen inneren Puffer gegen ungünstige soziale Bedingungen aufbauen können. Es handelt sich dabei zum einen, um eine biologische Wunderwaffe und das andere sind die direkten Bezugspersonen: also Mutter und Vater, Geschwister, Großeltern und naher Freundeskreis der Familie. 

 

Die biologische Wunderwaffe am Lebensanfang ist ein Hormon, das bei einer natürlichen Geburt in großen Mengen ausgeschüttet wird. Oxytocin wird auch als „Liebeshormon“ bezeichnet, denn auch beim Schmusen, Kuscheln und beim Stillen wird es vermehrt in die Blutbahn geleitet. Oxytocin hat Antistress-Effekte wie Senkung des Blutdrucks und des Stress Hormons Cortisol.  Es lässt die Schmerzwahrnehmungsschwelle steigen (das heißt auch schmerzhafte Situationen werden als nicht so schmerzhaft empfunden) und es fördert freundschaftliche, soziale Interaktion.  Ein Baby, das gestillt wird, bekommt eine ganz rosige Haut, es entspannt sich, es sucht den Blickkontakt mit der Mutter, seine Händchen berühren die Mutter. Oxytocin stimuliert mütterliches und soziales Verhalten – aber auch die Bindung zwischen Elternteil und Kind sowie die Paarbindung zwischen monogamen Säugetieren.  In Tierversuchen wurde gezeigt, dass hohe Oxytocin-Werte mit einer verbesserten Lernfähigkeit und einer antidepressiven Wirkung Hand in Hand gehen.  Das wirklich Erstaunliche an dieser Studie der schwedischen Wissenschaftlerin Kerstin Uvnäs-Moberg ist aber, dass diese positiven Wirkungen des Oxytocin – wenn es während der Neugeborenenphase in genügendem Maße vorhanden ist – lebenslang anhält.  Und zwar in besonderem Maße, wenn gleichzeitig pränatale Stresssituationen vorlagen.  Das heißt:  Wenn genügend Oxytocin im Körper zirkuliert, sind Stresssituationen besser verarbeitbar und müssen nicht die gefürchteten Folgen haben.  Kinder, die von Geburt an mit genügend Oxytocin versorgt wurden, werden auch später besser mit Stresssituationen fertig. Sie werden resilient! 

 

Natürlich tragen auch die sozialen Bindungen und das Gefühl dazuzugehören zu einer Gruppe oder Familie mit dazu bei, diese Fähigkeit weiter auszubilden. Studien haben gezeigt, dass resiliente Kinder einfühlsamer und emotionaler sind, als andere. Sie sind nicht diejenigen, die besonders „hart im Nehmen“ sind, sondern eher die, die um Hilfe bitten können und ihre Schwächen zugeben können. Und ganz wichtig: Sie haben mindestens eine Bezugsperson, die zu ihnen steht und ihnen den Rücken stärkt. Das können die Großeltern sein, ein guter Freund der Familie, ein Lehrer und natürlich die Eltern. Eltern resilienter Kinder nehmen Anteil am Leben ihrer Kinder und sie sind selbst dann noch freundlich, einfühlsam und unterstützend zu ihren Kindern, wenn sie selbst Probleme haben. Von Psychologen werden sieben Säulen der Resilienz aufgezählt, die sich gegenseitig bedingen und unterstützen und die ihr euren Kindern beibringen könnt – am besten indem ihr sie selbst befolgt: 

  • Optimismus. Dies beinhaltet das Wissen, dass alle Krisen zeitlich begrenzt sind und dass es einen Ausweg aus jeder Notlage gibt.
  • Akzeptanz. Es hilft nichts den Problemen auszuweichen oder sich abzulenken. Dadurch werde sie eher noch größer. Besser ist es sie zu akzeptieren und sich die Frage zu stellen: „Was will mir das sagen?“
  • Lösungsorientiertheit. Was kann ich jetzt ganz konkret tun?
  • Opferrolle verlassen. Nicht die Schuld bei den Umständen oder anderen Menschen zu suchen nach dem Motto: Wenn damals soundso nicht so dämlich gewesen wäre….“
  • Verantwortung übernehmen. Von jetzt an verlasse ich mich auf mich selbst und schaue, was mein Beitrag zur Situation ist.
  • Netzwerke aufbauen. Gemeinsam geht es leichter. Nachforschen, wem geht es ähnlich, was hat geholfen, was kann ich tun, dass es anderen besser geht. Damit helfe ich auch mir selbst.
  • Zukunft planen. Wo soll es jetzt hingehen? Welche Alternativen habe ich, welche Visionen bringen mich weiter.